Hallo Thomas, wir haben uns beim Agenturcamp 2023 kennengelernt. easyJOB und MATCH2B waren Sponsoren und Teilnehmer des Camps in München. Kannst du bitte näher erläutern, was MATCH2B macht und welche Dienstleistungen ihr anbietet?
Gerne. Wie der Name schon sagt, matchen wir. Man könnte auch sagen, wir sind ein Datingportal für Agenturen. Es ist tatsächlich wie eine Partnervermittlung für Unternehmen, spezialisiert auf Agentur- bzw. Projektgeschäft. Wir sind in Deutschland hervorragend vernetzt und finden heraus, wer mit wem in der Branche zusammenpassen könnte. Dabei geht es um Zusammenarbeit, um Verkäufe oder auch Übernahmen nach Insolvenz. Bei uns melden sich sowohl Agenturen, die in Schieflage geraten sind als auch Agenturen, die wachsen oder ihr Portfolio erweitern möchten. Das ist aber nicht alles, wir können mit unseren Methoden auch prognostizieren, wie erfolgreich eine Kooperation, Fusion oder die Eingliederung in die neue Agentur sein wird. Damit beide Seiten Kosten, Nutzen und Risiken besser einschätzen können.
Wie ist denn die allgemeine Lage derzeit auf dem Agenturmarkt? Habt ihr viel zu tun, ist Matchmaking gefragt?
Das kann man so sagen, wir sind im Moment enorm beschäftigt. Das klingt großartig, ist es auch für uns, aber es drückt natürlich auch aus, dass sich die Agenturbranche zurzeit großen Herausforderungen stellt. Wir beobachten eine regelrechte Nachfolgeflut und gleichzeitig einen Nachfolgermangel. Gründe liegen einerseits in der schwierigen wirtschaftlichen Gesamtlage in Deutschland (Energiekrise, Folgen des Krieges in der Ukraine u.a.), die sich auf die Werbeetats der Kunden negativ auswirkt. Andererseits spüren die Agenturen aber auch die Veränderungen der Arbeitswelt durch „New Work“, eine Folge der Corona-Pandemie, die sich auch ökonomisch niederschlagen. Und natürlich bringt KI viel Unsicherheit. All das führt zu einer deutlichen Konsolidierung der Branche. Es gibt zahlreiche Kollaborationen und Kooperationen mit Mergern unterschiedlichster Natur. Da ist einiges im Umbruch, viele Agenturen schreiben rote Zahlen und fürchten den Konkurs.
Aus deiner langjährigen Erfahrung gesprochen: wie kann man eine Insolvenz verhindern? Was kann man präventiv tun?
Das sind vor allem zwei Dinge: Unverzichtbar ist natürlich, dass man möglichst immer ausreichend zu tun hat. Wir reden hier über Projektgeschäft, und ohne regelmäßige Aufträge und Neukunden kann die Agentur nicht überleben. Also braucht sie einen aktiven und gut strukturierten Vertrieb.
Zum anderen sollte man so wirtschaften, dass man mit dem, was man tut, auch Geld verdient. Hier geht es um Kosten und Erträge sowohl auf Projekt- wie auf Unternehmensebene. Dazu muss man bestimmte Hauptindikatoren wie Deckungsbeiträge immer beobachten und kontinuierlich abgleichen. Das schließt z. B. auch die Auslastung der Mitarbeitenden einschließlich der abrechenbaren Stunden ein. Aus unserer Sicht ist die Projektstundenerfassung deshalb essenziell. Daneben sollte man auch die Liquidität des Unternehmens immer im Blick behalten.
Wir, als Anbieter einer Agentursoftware, finden natürlich, dass ein Daten integrierendes Agentur-ERP zur Standardausstattung gehört. Kennst du auch Agenturen, die ihre kaufmännische Projektabwicklung mit einzelnen Tools wie Excel & Co. bearbeiten, und wie kommen die zurecht?
Ohne eine genaue Zahl sagen zu können: ja, leider, und das sind viel zu viele! Digital arbeiten ja alle mittlerweile, da werden Daten erfasst, aber die Verknüpfung, der große Überblick, der fehlt dann. Ich muss doch jederzeit wissen: Was war geplant, was läuft tatsächlich, wo muss ich nachjustieren? Ohne Controlling weiß ich doch nie, wie profitabel die Projekte oder einzelne Kunden laufen. Und – so hart das klingt: Als Chef muss ich einfach wissen, wie effizient meine Mitarbeiter arbeiten. Wir stoßen immer wieder auf Agenturen, die sich erstaunlich naiv am Stand des Kontos orientieren und sich am Ende des Monats überraschen lassen. Aber auch solche, die zwar über entsprechende Zahlen verfügen und rein technisch Auswertungen machen könnten, aber dann wenig bis gar nichts mit diesen Daten anfangen. Das ist reiner Blindflug! Man kann eindeutig sagen, dass in dieser Gruppe erheblich mehr Agenturen von Insolvenz bedroht sind. Wenn sich dazu dann auch noch Schwächen in der Neugeschäftsgewinnung gesellen, dann wird's richtig gefährlich.
Was empfehlt ihr neben einer guten Software, wenn Unstimmigkeiten im roten Bereich sichtbar werden?
Zunächst einmal sollte man nicht zu lange warten, und darauf hoffen, dass aus den roten irgendwann wieder von allein schwarze Zahlen werden. Der erste Schritt ist immer die Ursachenforschung. Die Gründe für die roten Zahlen können ja vielfältig sein: Projektstunden werden nicht richtig erfasst oder mangelhaft abgerechnet, Prozesse laufen umständlich oder fehlerhaft und produzieren einen nicht abrechenbaren Mehraufwand, zu wenig Geschäft, zu niedrige Preise, unnötige Kosten usw. Die Liste ließe sich noch um ein Vielfaches verlängern. Wenn man denn dann weiß, wo die Wurzel des Übels liegt, muss man Maßnahmen ergreifen, um es zu beseitigen. Das könnte z. B. bedeuten, die Workflows der Agentur mal grundlegend zu analysieren und dann zu verbessern. Anschließend empfiehlt es sich, KPIs festzulegen, damit ich möglich früh gewarnt werde, wenn es zu einer Fehlentwicklung in den Zahlen kommt. Eine Agentursoftware allein reicht also nicht aus, da braucht man fundierte Beratung.
Wenn an der Insolvenz kein Weg vorbeiführt und eine Übernahme im Raum steht: Was braucht man dafür? Welche Zahlen sollte eine Agentur Interessenten liefern können?
Wenn eine Übernahme oder Zusammenarbeit für beide Seiten ein Gewinn sein soll, braucht man die Karten auf dem Tisch. Umso besser, wenn die insolvente Agentur schnell einen Überblick über die Kostensituation liefern kann, für aussagekräftige Analysen. Wichtig ist dann noch eine aktuelle Liquiditätsplanung und ein realistischer NewBiz-Funnel, der Chancen für Neugeschäft aufzeigt. Also klare Aussagen, was an Assets, aber auch an Verpflichtungen da ist.
Sind diese Daten entsprechend aufbereitet, ist es sogar unter dem sehr hohen Zeitdruck, unter dem man in einem Insolvenzverfahren steht, möglich, nachhaltige Lösungen zu finden. In der Vergangenheit konnten wir von MATCH2B beweisen, dass Matching auch „auf den letzten Drücker“ erfolgreich sein kann.
Du siehst das „Schreckgespenst Insolvenz“ aber nicht nur negativ. Wie meinst du das?
Eine Insolvenz kann man als Chance begreifen, weil sie dem Unternehmen die Möglichkeit bietet, sich grundlegend zu restrukturieren und neu auszurichten. Es ist wie ein Neustart: Durch die Entlastung von alten Schulden und ineffizienten Strukturen kann man nochmal von vorn anfangen und sich auf die Kernkompetenzen konzentrieren. Manchmal bringt ein neuer Gesellschafter auch sinnvolle neue Managementstrategien ein, die die Agentur revitalisieren. Für mich ist das kein Scheitern, sondern eine große Gelegenheit zur Transformation. Insofern: Ja, das sehe ich als Chance. Wenn man den richtigen Partner hat, der alles begleitet…
Kurzvorstellung
MATCH2B initiiert Geschäftspartnerschaften in der Agenturwelt. Thomas Keller ist kreativer Kopf hinter der Geschäftsidee und verfügt als selbstständiger Berater über 35 Jahre Erfahrung in der Kommunikations- und Agenturbranche. Seit 2006 hat er mehr als 500 Matchings zwischen Agenturen initiiert und begleitet. Neben seinem detaillierten Wissen über die erfolgversprechende Ausgestaltung neu zu etablierender Geschäftsbeziehungen, verfügt er über ein hervorragendes Netzwerk in der Agenturwelt und in angrenzenden Branchen.
Bildnachweis
Titelbild: Mirja Diederich
Foto Team match2B: Marc Köbler
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Gerne, in einer persönlichen Präsentation zeigen wir Ihnen unsere Lösung und gehen von Anfang an auf die individuellen Prozesse Ihres Unternehmens ein. Selbstverständlich ist auch ein intensiver Proof of concept möglich.